35. Kapitel

 

Prinzessin Belanow und ihr Bruder sind eingetroffen, Mylord«, verkündete Mrs. Devon durch den Türspalt und entfernte sich wieder. Patrick legte die Feder beiseite und streichelte Bess, die leise schnurrend auf seinem Schoß lag, während er die letzten Zeilen seines Gedichts betrachtete.

Keiner wird dir je wieder wehtun, hatte er Violet versprochen. Aber heute Abend fand ein Ball statt, zu dem zahlreiche Vampire eingeladen waren, einschließlich dieses Mistkerls, Daniel.

Patrick bewegte seine Finger, die sich unwillkürlich zur Faust ballen wollten. Er hasste es, Violet einer Gefahr auszusetzen, aber es war der einzige Weg, um die Prinzessin und andere treue Clansmitglieder zu schützen.

Er setzte Bess auf den Boden, erhob sich und verließ sein Arbeitszimmer. Mit den Gedanken war er bei der vergangenen Nacht, die ihm wie ein herrlicher Traum erschien.

Violet liebte ihn. Sie liebte ihn ebenso sehr, wie er sie. Der Gedanke machte ihn... übermütig.

»Du lächelst«, bemerkte Angelica, als er den Salon betrat, in dem sie und Mikhail auf ihn warteten.

»Das ist kein Lächeln«, bemerkte Mikhail, der sich bereits an Patricks Hausbar zu schaffen machte. »Das ist das gleiche dümmliche Grinsen, das dein Gesicht verunziert, wenn du deinen russischen Gatten ansiehst, Schwesterlein.«

»Dümmlich?«, schnaubte Angelica und legte die Hände auf ihren mächtigen Bauch. »An der Liebe ist nichts Dümmliches, Mikhail Belanow. Das wüsstest du, wenn du selbst schon mal geliebt hättest.«

Patrick hätte sich eigentlich an der lässigen Art, wie die Geschwister seine Gefühle diskutierten, stören sollen, aber er brachte es nicht fertig. Es gab im Moment Wichtigeres zu bedenken. Er setzte sich neben Angelica, während Mikhail sich einen Cognac einschenkte.

»Glaubst du, sie ist bereit?«

Angelicas Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an, dennoch versuchte sie, ihn zu beruhigen. »Ismail hat gesagt, sie ist sehr gut darin, Gedankenleser abzublocken. Das muss sie auch sein, Patrick, oder ihre Vendetta gegen Ismail wäre viel früher aufgeflogen.«

Aber Patrick ließ sich nicht von ihren Worten täuschen. »Warum siehst du dann so besorgt aus?«

»Weil es ihr nicht gefällt, Violet den Wölfen vorzuwerfen, um es mal so auszudrücken. Und mir auch nicht«, warf Mikhail ein. Er wirkte ausnahmsweise selbst besorgt.

Patrick runzelte die Stirn. Ihm ging es ebenso, aber er sah keine andere Möglichkeit. »Falls Daniel sie auch nur schief ansieht, bringe ich ihn um.«

»Sollen wir gehen?«

Alle drei blickten zur Tür, in der Violet in einem blassgrünen Seidenkleid aufgetaucht war. Sie sah aus wie eine Lady - bis auf das schnurrende Kätzchen auf ihren Armen.

Patrick eilte sofort an ihre Seite, und Mikhail bot seiner Schwester den Arm an.

»Du siehst wunderschön aus«, flüsterte Patrick.

Violet errötete und setzte Bess auf dem Boden ab.

»Mrs. Devon hat mir mit der Frisur geholfen.«

Er hob erstaunt die Brauen und hakte ihren Arm bei sich unter. »Und ich hatte den Eindruck, dass sie nicht gerade angetan ist von dir.«

»Das dachte ich auch.« Violet lächelte. »Aber das Wetter scheint umgeschlagen zu haben. Deine Haushälterin sagt, sie hätte mich vermisst.«

»Du musst das nicht tun«, sagte Patrick ernst, während er sie zur Haustür führte.

Auch Violets Lächeln erlosch, während sie sich zu den beiden Geschwistern umwandte, die ihnen in einigem Abstand folgten.

»Doch, das muss ich«, widersprach sie. »Zuerst dachte ich, ich sei es euch einfach schuldig. Aber es ist mehr als das. Ich kann nicht zulassen, dass Daniel oder seine Gefolgsleute den Menschen - oder Vampiren -, die ich liebe, Schaden zufügen.«

Es gefiel ihm nicht. Es gefiel ihm gar nicht, aber Patrick wusste, dass es keine wirkliche Alternative gab. Sie verließen das Haus und gingen die Stufen zur wartenden Kutsche hinab. »Bist du sicher, dass du bereit bist?«

Sie lächelte ihn an. »Ja.«

Violet war alles andere als bereit. Sie hatte Angst. Sie fürchtete sich so sehr, dass sie kaum atmen konnte. Den ganzen Abend lang hatte ihr vor diesem Augenblick gegraut. Und jetzt war er da. Daniels Geruch wurde stärker, bis er sie beinahe erstickte. Angelica, die neben ihr stand, versteifte sich ebenfalls.

»Ah, Daniel, da sind Sie ja«, sagte die Prinzessin gespielt fröhlich. Violet atmete langsam ein und aus. Sie durfte jetzt nicht die Beherrschung verlieren.

»Prinzessin, Lady Violine, es ist mir wie immer ein Vergnügen«, sagte Daniel glatt.

Sie hatte Angst. Ihre Brust war wie zugeschnürt, und ihre Hände zitterten. Aber sie wusste, was sie zu tun hatte.

»Ich bin so froh, dass Sie da sind, Daniel. Gerade sagte ich zur Prinzessin, ich hätte den ganzen Abend noch nicht getanzt. Es hat sich einfach kein passender Partner gefunden.«

Das stimmte. Violet hatte tatsächlich den ganzen Abend noch nicht getanzt, aber das lag mehr an ihrer Nervosität als an einem Mangel an willigen Tanzpartnern.

»Das ist kaum zu glauben, Lady Violine. Wenn Sie vielleicht mir die Ehre erweisen würden...? Ich würde mich wahrhaftig glücklich schätzen!« Daniel hob ihre behandschuhte Hand an die Lippen.

Violet strahlte so überzeugend sie konnte und ließ sich von Daniel auf die Tanzfläche führen, nachdem dieser sich bei der Prinzessin empfohlen hatte.

Violet musste ein Schaudern unterdrücken, als er den Arm um sie schlang und mit ihr zu tanzen begann.

»Ich gestehe, ich bin beeindruckt«, verkündete er wie nebenbei.

»Ach ja?« Sie versuchte, seinen lockeren Ton zu imitieren.

»Es überrascht mich nicht, dass Sie es geschafft haben, aus der Hütte zu entkommen. Aber dass Sie sie so schnell übertölpelt haben, ist doch erstaunlich.«

War er misstrauisch? Violet musste ihre aufsteigende Panik gewaltsam unterdrücken. Sie holte tief Luft. Daniels moschusartiger Geruch drang ihr in die Nase, vermischt mit Blut, Schweiß, verschiedenen süßlichen Parfüms und Zitrone: ein beliebtes Mittel bei den Damen, die um ihre blütenweiße Haut besorgt waren.

»Es war leichter als erwartet«, räumte sie ein. Um ihn von weiteren Fragen abzulenken, fügte sie rasch hinzu: »Wie lange muss ich noch warten?«

Er schwieg. Hatte sie einen Fehler gemacht?

Ein plötzlicher Kopfschmerz verriet ihr, was er zu tun versuchte. Violet konzentrierte sich: Dunkelheit, Leere, das Hier und Jetzt verblasste. Sie suchte Zuflucht bei ihrem alten Hass. Ich werde ihn töten. Ismail wird büßen. Es fiel ihr leichter, als sie gedacht hätte. Sie dachte an ihr Messer, dachte an das Blut an ihren Händen.

Der Schmerz verklang, zurück blieb Frieden.

»Heute in sechs Tagen werden Sie eine Nachricht erhalten. Keine Sorge, wir werden sicherstellen, dass Lord Bruce nicht anwesend ist«, erklärte Daniel.

Violet nickte.

»Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für Sie sein muss, in diesem Haus zu wohnen.«

»Ja. Ich kann's kaum abwarten, dort wegzukommen«, pflichtete sie ihm in einem, wie sie hoffte, ausreichend angeekelten Ton bei.

Daniel zog sie enger an sich; ihre Brüste wurden an seinen Smoking gepresst. »Sie werden feststellen, Lady Violine«, flüsterte er, »dass Vampire weitaus bessere Liebhaber sind als Menschen. Ich überlege, ob ich Ihnen nach Patricks Tod nicht einen Platz in meinem Bett einräumen soll.«

Violet geriet ins Stolpern und wäre hingefallen, wenn Daniel sie nicht aufgefangen hätte.

»Wie nett«, bemerkte sie höflich.

»Ja«, stimmte Daniel zu, »ich bin nun mal ein netter Mann.«

»Darf ich?«, unterbrach Patrick ihr Gespräch. Violet konnte nur mit Mühe einen Seufzer der Erleichterung unterdrücken. Sie spürte, wie Daniel sich versteifte, doch dann ließ er sie los.

»Selbstverständlich, Lord Bruce.«

Kurz darauf tanzte Patrick mit ihr von Daniel fort, und ihr Puls beruhigte sich wieder.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Patrick sichtlich besorgt.

Sie nickte. »Das Treffen findet in sechs Tagen statt.« Auf einmal wollte sie nichts weiter als fort von diesem Ball.

»Würdest du mich nach Hause bringen?«

Patrick drückte ihre Hand, während er sie herumwirbelte. »Natürlich. Du kannst ein heißes Bad nehmen, und dann setzen wir uns vor den Kamin im Schlafzimmer, und ich werde dir vorlesen.«

Bei dieser Vorstellung wurde ihr ganz warm und wohlig zumute. »Und Bess darf auch dabei sein«, sagte sie lächelnd.

»Und Bess darf auch dabei sein«, bestätigte Patrick und streichelte mit dem Daumen ihre Hand.

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